Welche Rolle spielt die Umgebung oder der Raum, in dem deine Kunst ausgestellt wird, für die Wahrnehmung deiner Arbeiten? Wie würdest du deine künstlerische Vision oder dein kreatives Konzept für diese Ausstellung in der ASPN-Galerie in Leipzig beschreiben?
Ich würde sagen, dass der Fokus heute auf meinen neueren Arbeiten liegt, der Werkgruppe WP BCP. Ich bleibe bei den WP, den Tropfenbildern, aber ein neues Element rückt in den Fokus, nämlich das vermeintliche Sujet: das Feuer, das „hinter“ der Oberfläche, hinter den Fensterscheiben liegt. Doch es geht mir nicht nur um das Feuer an sich, sondern vielmehr um das Zusammenspiel von Feuer und Wasser, von gemaltem Feuer und gemalten.
Kondenswassertropfen auf der milchigen Glasoberfläche. Ein Tropfen ist nicht nur ein Punkt, in dem sich das ganze Bild versammelt und der Bildinhalt sich quasi als Mikrokosmos konzentriert. Hier (zeigt auf zwei unterschiedliche Tropfen) müsste der Tropfen, da er vor dem roten Hintergrund ist, rot sein. Er ist aber blau. Und bei diesem müsste er blau sein, ist aber rot.
Somit ist der Tropfen nicht nur der Ort, an dem sich ein Mikrokosmos bildet, sondern er ist eine eigene, in sich geschlossene Welt, welche sich dem Betrachter und auch mir als Künstler, wie durch eine Linse neu eröffnet.
Was bedeutet es für dich Bilder auszustellen? Gibt es einen Moment der Angst oder Scham oder überwiegt doch die Freude und Neugier darüber, die Bilder endlich auszustellen und der „Welt“ zu zeigen?
Vielleicht nicht Scham oder Angst, aber es gibt immer eine positive Grundnervosität vor jeder Ausstellung. Das kann ich nicht leugnen. Aber gerade hier in der Galerie ASPN in Leipzig, mit der ich seit über 12 Jahren zusammenarbeite war diese Aufregung heute weniger hektisch als sonst. Durch die lange Zusammenarbeit mit Arne Linde ist bereits großes Vertrauen und so etwas wie „blindes Verständnis“ entstanden.
Generell ist der Rundgang in der alten Spinnerei in Leipzig immer anregend, ich bin jedesmal wieder aufs Neue über die hohen Besucherzahlen erstaunt. Ob jung, ob alt, Familien, Kinder, alle strömen in die Spinnerei, das Wetter meint es auch gut mit uns, ich freue mich auf die nächsten 24 Stunden.
Welche Reaktionen wünscht oder erhoffst du dir von deinen Betrachtern? Welche Rolle spielt deiner Meinung nach die Interaktion zwischen Künstler-Kunstwerk und Betrachter?
Gerade bei meinen Spiegel-Bildern ergänzt das Publikum das Werk auf abstrakte und reale Weise, wenn es davor steht. Durch die Reflexion wird man Teil des Bildes und erfährt einen Moment der Fremdheit und Vertrautheit zugleich. Mein Ziel ist es, dass der Betrachter oder die Betrachterin sich von Vorurteilen löst und sich auf das Kunstwerk sowie die anderen Anwesenden einlässt. Denn genau in diesem Moment kommt es zum Dialog und Austausch über die Erfahrung an und mit der Kunst.
Gab es eine Reaktion, die dich als Künstler berührt hat? Magst du sie uns erzählen?
Es gibt eine besondere Geschichte. Ich habe an einem TP (Tape Painting) gearbeitet, bei welchem ich Paketband male. Teil des Prozesses ist jedoch auch echtes Tape, Malerkrepp. Eines Tages krabbelte mein anderthalbjähriger Sohn gezielt durch mein Atelier, vorbei an dem echten Tape und wollte das gemalte Tape abziehen. Dies zeigt, wie das Malen das Verlangen weckt, Dinge zu berühren und ehrt mich als Maler. Solange Kunst jemanden berührt, ist sie real.
Gibt es Bilder oder Elemente in Bildern, auf die du „stolz“ bist? In denen du das Gefühl hast, dass dir etwas gelungen ist? Wann hättest oder hattest du das Gefühl, dass dir ein Bild gelungen ist?
Ich denke, das Bild, das mein Sohn berühren wollte, wäre eines, auf das ich stolz bin (lacht). Stolz ist der falsche Ausdruck, aber es berührt mich besonders, wenn sich meine Begeisterung am Visuellen und seinen Geheimnissen auf den Betrachter überträgt und ich mit dem Betrachter kommunizieren kann, wie ich es mir verbal nicht möglich wäre. Ein Beispiel ist das Motiv des Wassertropfens, über das ich schon gesprochen habe. Früher habe ich ihn einfach als Objekt gemalt, aber dann begann ich mich zu fragen, was ein Wassertropfen wirklich ist, nämlich eine Linse, die den ganzen Sichtwinkel auf die Welt in sich bündelt. Ich beschäftige mich nun mehr mit seiner Materialität, wie zum Beispiel hier (zeigt auf Tropfen im Bild): was siehst du? Genau, zwei unterschiedliche Arten von Tropfen. Die einen sind plan in Öl gemalt, die anderen sind aus Harz und dementsprechend „körperlich“.
Es gibt da ein Zitat von Paul Klee, das besagt, dass Kunst keine Wiedergabe des Sichtbaren sei, sondern das Sichtbarmachen selbst des Unsichtbaren oder Noch-nicht-Sichtbaren. Bei deinen Bildern habe ich eher das Gefühl, dass es das Sichtbarmachen des nicht-Sichtbaren als Nichtsichtbares.
Das ist eine gute und, wie mir scheint, richtige Einschätzung. Für mich ist Kunst nicht Wiedergabe einer vermeintlich schon bestehenden, transparenten Wirklichkeit. Vielmehr bin ich „Realist“, als dass ich die Realität male, wie sie mir aus der Erinnerung und meinen Beobachtungen vor-stelle: nämlich immer ein wenig opak, immer mit einer gewissen Distanz zwischen mir und dem Gegenstand – ohne jedoch diesen künstlich zu verfremden. Deshalb male ich Objekte hinter einer beschlagenen Glasscheibe, auf der die Tropfen kleine Risse und Bahnen ziehen, durch die man durchblicken kann. Und selbst wenn dort ein kleiner Spalt geöffnet zu sein scheint, so sieht man dahinter den Gegenstand doch nicht wirklich klarer als zuvor. Ich bin fasziniert von der Wahrnehmung in der Kunst, wie sich unser Blick verändert, wenn wir uns in Dinge vertiefen. Rückblickend erkenne ich, dass meine älteren und neueren Bilder einen roten Faden haben, den ich in jeder Schaffensphase aufgreife, auch wenn das erst im Nachhinein deutlich wird. Aber ja, Malen ist Sichtbarmachen von Unsichtbarem, aber auch das Sichtbarmachen des Unsichtbaren als Unsichtbares.
Glaubst du an es ein geheimes Eigenleben deiner Bilder? An etwas, was man beim Schaffen und Betrachten nicht beherrschen kann?
Absolut! Ich habe bereits angedeutet, dass
meine Bilder scheinbar ein Eigenleben führen, das sich über die Jahre
hinweg zeigt. Mit der Zeit scheinen sich die Bilder unter meinem Blick
zu verändern, und wenn ich später darauf zurückblicke, erscheinen sie
mir anders. Vielleicht liegt das daran, dass sich meine Perspektive
verändert hat, oder vielleicht hat das Bild mich auf unerklärliche Weise
beeinflusst. Ein Beispiel dafür ist meine Adaption von Diego Velázquez'
Meisterwerk Las Meninas, 1656. Zunächst habe ich mich in meinem Bild Sin Las Meninas, 2009
an der Frage des Raumes interessiert – das Verhältnis des einen zurück
anschauenden Malers selbst und den ihn umgebenden Personen.
Diese habe ich allesamt rausgeworfen, und den Raum in seiner Nacktheit dargestellt, aber nach einer Weile war mir das in seiner „Reduktion“ immer noch nicht genug. Also habe ich begonnen, Tape über den menschenleeren Raum zu malen, um die reduzierte Form der Darstellung wiederum zu „verdecken“. (Tape Over, Las Meninas, 2019).
Eine letzte Frage: Wir haben die gesamte Zeit über die Botschaft der Kunst und die Resonanz bei Künstler und Publikum gesprochen. Man sieht bei dir die Neugier auf Neues und gleichzeitig den kontinuierlichen Ansätzen an bereits vorangegangenen Pfaden. Welche Projekte hast du in nächster Zeit?
Schon sehr bald werde ich mit meiner Galerie Long Story Short meine MP (Mirror Painting) in einem Schaufenster in New York City präsentieren, im Herzen von Chinatown. Dieses Projekt hat das Bestreben, flüchtige, oder auch fesselnde Verbindungen zwischen Kunst und Publikum in einem zeitgenössischen, schnelllebigen urbanen Umfeld zu schaffen.
Außerdem wird eines meiner Bilder bald als dauerhafte Installation in einem Schwimmbad in Aubervilliers bei Paris in einer Größe von 8 x 2 Metern hängen. Dort wird auch die französische Olympiamannschaft trainieren. Im Herbst werde ich Teil einer Gruppenausstellung in Berlin in der Weserhalle sein. Ich finde es spannend zu beobachten, wie sich die Dinge ergeben, sich wie viele Bausteine aufeinander setzten und kombinieren, wodurch etwas Vertrautes entsteht, das dennoch neu ist. Dies spiegelt sich auch in den Titeln meiner Bilder wider, wie WP (Window Painting), TP (Tape Painting), und dann eben WTP. Ein Bild ist nicht nur ein Gegenstand, sondern ein Ausdruck von Existenz, ein Ausdruck eines Daseins, einer einzigartigen Realität in einem einzigen Moment. Ganz, ganz kurz und ewig zugleich. In diesem Sinne bleibe ich, - wie auch der Titel meiner neusten Monographie lautet „J‘M donc je suis“, ich liebe, also bin ich - ein malender Mensch, der neugierig ist, lebt und liebt.
Vielen Dank Jochen Mühlenbrink für die Freundlichkeit und die Zeit mit uns dieses kurze Interview geführt zu haben. Es war mir eine große Freude. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die kommenden Monate und hoffentlich bis bald.
Gern geschehen, das Vergnügen war ganz meinerseits. Vielen Dank für die anregenden Fragen. Bis demnächst!